Blendwerk, Theater und emotionale Gewalt!
Der Narzisst ist interessant, charmant und immer gut gekleidet. Man freut sich, wenn er durch die Tür kommt. Es wird aufregend und wenn es das nicht wird, selber Schuld. Er spielt sich ein und erfreut sein Publikum. Vielleicht ist er auch ein einsamer Wolf mit Ecken und Kanten, und selbst Frauen, die mit seinem Aussehen und seiner Ausstrahlung am Anfang nichts anfangen können, sind bald fasziniert.
In einem großen Kreis von Personen sucht er sein Publikum. Er konzentriert sich auf einzelne Individuen und versucht, diese zu beeindrucken. Auf einer Party kann es schon einmal vorkommen, dass sein Auftritt verschiedene Meinungen hinterlässt. Für die einen ist er der ideale Unterhalter: redegewandt, charmant und vielseitig interessiert. Für die anderen ist er ein aufgeblasener Gockel, der etwas mit einem Kühlschrank gemein hat. Wenn er es für nötig betrachtet und man ihm genug Zeit gibt, bringt er diese Zeitgenossen aber auch noch auf seine Spur.
Hat er seine Freundin oder seine Frau mitgebracht, steht diese meist abseits und sieht dem Spektakel hilflos zu. Ab und an kümmert er sich um sie und hofft, dass nicht weiter auffällt, dass er in Begleitung ist.
In der Regel interessiert er sich für interessante Frauen und geht auf Opfersuche. Selbstbewusst müssen sie sein, coole Mütter oder sie sollen ihren ganz eigenen Charme haben. Diese perfekten Frauen liebt er. Da er seine Person ebenfalls als eine blendende Erscheinung wahrnimmt, möchte er mit Ihnen ins Gespräch kommen.
Die Frau, das unperfekte Wesen
Hat er endlich die perfekte Frau für sich gefunden und beginnt eine Beziehung mit ihr, kommt das große Erwachen. Da niemand lange perfekt sein kann und jeder seine kleinen Fehler hat, sind die ersten Ausfallerscheinungen schon vorprogrammiert. Er beleidigt die neue Partnerin, pöbelt oder benimmt sich daneben. Plötzlich ist er nicht mehr der smarte Mann, der alle um den Finger wickeln kann.
Souverän bringt er die passenden Gründe für seine Ausraster vor, die erst einmal greifen und nichts Schlimmes vermuten lassen. Manche Frauen ergreifen trotzdem schnell die Flucht. Andere begreifen zu spät, was vor sich geht. Später sind es nämlich genau diese kleinen Fehler und Schwächen, auf denen der Narzisst gnadenlos herumtrampeln wird. Auf manipulative Weise bedient er sich der sichtbaren und unsichtbaren Schwachstellen der Partnerin, um sie emotional zu misshandeln und notfalls auch seelisch und körperlich zerstört zurückzulassen. Ihre Individualität ist für ihn nicht wichtig, sondern störend.
Die Betroffene lebt später zwischen Idealisierung und Abwertung
Nicht nur ihre Schwächen wird er gegen sie einsetzen, auch ihre Stärke und Kraft spielt er nachher gegen sie aus. Was er in der ersten Zeit noch an ihr bewundert, verwendet er nach und nach gegen sie.
Schon in der Verliebtheitsphase beginnt er unauffällig damit. Er beteuert immer wieder, wie toll sie ist und welche Vorzüge sie hat. Diese Komplimente sind nett gemeint, aber durchsetzt mit peinlichen Vergleichen. "Sie sei nicht so dumm wie seine Ex und nicht so ungeduldig wie seine Mutter." Diese Aussagen mögen ja sehr schmeichelhaft sein, aber wer möchte schon auf diese Art mit anderen Frauen verglichen werden?
Nach einer langen Idealisierungsphase beginnt der Aggressor dann mit der direkten Abwertung. Nicht nur andere Personen werden schlecht geredet. Seine Kritikpunkte treffen jetzt auch die Partnerin. Unterschwellig teilt er ihr mit, dass sie den gestellten Anforderungen nicht entspricht. Ihre Stärken werden bewusst ignoriert, ihre Erfolge vergessen und ihre Meinung wird als unwichtig abgetan. Stellt er am Anfang noch fest, dass er die Durchsetzungskraft der Partnerin bewundert, wird er am Ende behaupten, sie sei stur und rücksichtslos.
Er fordert Veränderung und angepasstes Verhalten und die Betroffene geht gerne Kompromisse ein, um wieder an die erste Zeit der Verliebtheit anzuknüpfen.
Dass sie bereits an einer Beziehung arbeitet, mit dessen Ergebnis er sich nie zufriedengeben wird, ist am Anfang nicht sichtbar, sondern wird erst später Realität.
Statt Liebe und Geborgenheit zu vermitteln, verbreitet der Aggressor schlechte Stimmung und verliert sich in Monologen. Ihre Geburtstage werden vergessen und ihre Erfolge kleingeredet. Ihre Befindlichkeiten und Schwachstellen werden nun pervers genutzt, um sie zu verurteilen. So kann er mit grandiosem Erfolg ihre Wertlosigkeit hervorheben und sich selbst besser fühlen. Ihre Minuspunkte werden weiterhin optimiert, um sich weiter negativ in die Psyche der Partnerin einzubringen. Immer mehr Verantwortung wird ihr übertragen, bis sie für das Gelingen der Partnerschaft allein zuständig ist.
Ist sie krank, muss sie ebenfalls allein zurechtkommen, da er sich für die Beziehung aufopfert und arbeiten geht, bis zum Umfallen. Warum hat sie bei dem schlechten Wetter auch das Haus verlassen? Warum hat sie vorher nicht die Küche aufgeräumt?
Ihr muss doch bewusst sein, dass sie sich jederzeit verletzen kann. Er kann sie jetzt nicht ins Krankenhaus fahren, da sie unfähig ist. Selbst die kleinsten Dinge, die er ihr aufträgt, kann sie nicht richtig machen. Die Spülmaschine räumt sie immer falsch ein und die Wäsche hängt in der verkehrten Reihenfolge. Den Müll sortiert sie fehlerhaft und den Einkauf hat sie auch nicht im Griff.
Selbstverständlich kümmert er sich um nichts davon, da er schwer arbeiten geht und seiner Frau trotzdem noch alles nachräumen muss. Damit taucht auch schon das nächste Problem am Horizont auf. Gibt sie ihm nicht genug Bestätigung, da sie immerzu mit dem Haushalt beschäftigt ist, fühlt er sich allein gelassen. Dieses Problem hat er jedoch schnell gelöst.
Wenn die Partnerin sich nicht richtig um ihn kümmert, sieht er sich berechtigt, sich um andere Frauen kümmern zu dürfen.
Was bleibt ihm auch anderes übrig? In seinen Augen ist das nicht sein Fehler, sondern das Fehlverhalten seiner Partnerin ist dafür verantwortlich. Was er braucht, ist nun einmal Bestätigung und dass so dringend wie die Luft zum Atmen. Selbstverständlich rund um die Uhr. Warum kann sie sich nicht lieb und nett sein und sich narzisstenkonform verhalten.
Singlebörsen und andere Frauen
Mit diesem egoistischen und unangemessenen Denken gefährdet er natürlich in einem hohen Maße die Beziehung. Trotzdem lässt er keine Möglichkeit vorbeiziehen, die ihm anderweitige Bestätigung bieten kann. Dieses Vorgehen gibt ihm die Gewissheit, positiv auf andere Frauen zu wirken und sein Selbstvertrauen aufzupolieren.
Als zusätzlicher Bonus versucht er noch mit seinen Erfolgen bei der Partnerin anzugeben und baut so weiter massiv Druck auf. Er bringt andere Frauen ins Spiel, die er auf seinem Weg wieder fallen lässt.
Für die Betroffene ist das natürlich ein gravierender Stressfaktor. Sie findet sich in Situationen wieder, wo sie sich mit der Ex-Frau, der Next und der Arbeitskollegin auseinandersetzen muss.
Dann gibt es da noch seine beste Freundin und die Frauen in seinem Handy. Die Frauen, die angeblich hinter ihm her sind, lassen wir jetzt einmal weg und die nackten Frauen auf den Pornoseiten auch.
Und so fährt er fort mit seinem Werben um Beachtung, Bewunderung und Bestätigung, um sein Bedürfnis nach Macht und Kontrolle auszuleben. Die Gefühlswelt der Partnerin hat er nicht im Auge, diese wird ihm mit der Zeit sogar immer lästiger.
Eifersucht greift um sich
Die Partnerin merkt schnell, dass ihr Stressfaktor beträchtlich steigt, sobald der Laptop eingeschaltet ist, beide auf Partys gehen oder er sein Handy in die Hand nimmt. Konkrete Gründe für dieses Gefühl kann sie selten anführen, da seine Ausreden immer wieder logisch daherkommen.
Fühlt er sich übermäßig kontrolliert, verdreht er die Realität und entkräftet so ihre Wahrnehmung. "Immer machst du so ein Theater", "Du, bist tierisch eifersüchtig", "Du machst immer nur Ärger", "Geh, ja nicht an mein Handy", "Du bist ja krank". Damit hält er die Partnerin auf Abstand und stellt deren Verhalten als unnormal dar, obwohl sein eigenes Benehmen mehr als grenzwertig ist.
Die Aufmerksamkeit der Betroffenen kann er sich so natürlich erhalten, ohne kontrolliert zu werden. Dass sie mit diesem Spiel regelrecht in die Eifersucht getrieben werden soll, bemerkt diese meist viel zu spät.
Sollte er sich bei seinen Eskapaden richtig verliebt haben, beginnt er einen langen Kampf mit sich selbst. Die aktuelle Beziehung ist ihm sicher, seine neue Liebe jedoch nicht. "Was soll er also tun? Was ist für ihn das Beste? Wer bringt ihm mehr Vorteile?" Er wägt ab und löst sich nur ungern aus einer alten Beziehung. Den Selbstwert seiner aktuellen Partnerin hat er bereits zerstört und er kann sich fast alles erlauben. Die passenden Ausreden akzeptiert diese ohne nachzufragen und ist willig, noch mehr für zu tun. Kann die neue Beziehung das Gleiche leisten?
Die Partnerin bemerkt dieses Taktieren an seinem unbeständigen und zunehmend perfiden Verhalten, welches sie zunächst auf sich bezieht. "Mein Partner wacht eifersüchtig über mich." Sie interpretiert diese Aufmerksamkeit als ein Zeichen seiner Liebe und wiegt sich in Sicherheit. Das ist jedoch meist eine grobe Fehleinschätzung.
Was er sich selbst herausnimmt, macht er dem anderen zum Vorwurf.
Während er bereits andere Wege geht, unterstellt er das Gleiche seiner Partnerin. Er schließt von sich auf andere. Sein eigenes Verhalten macht er ihr zum Vorwurf. Er spiegelt und zeigt sich dabei noch kontrollierender als sonst. Völlig unberechtigt versteigt er sich in Eifersuchtsszenen, damit man ihm nicht auf der Nase herumtanzt.
Dass er nur noch seine Dominanz über die Partnerin ausspielen möchte, Bewunderung und Bestätigung jedoch schon längst woanders gefunden hat, wird ihr erst später bewusst.
Der Narzisst und die Frauenwelt
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Wie geht es weiter?
Ist die Partnerin verzweifelt und will die Beziehung aufgeben, kommt er ihr zuvor, um nicht als Verlierer dazustehen. Er wechselt zu seiner neuen Liebe und versucht dort sein Glück. Scheinheilig erklärt er ihr, dass er sich nur getrennt hat, weil er ohne sie nicht mehr leben kann. Dass sein Tempo allein von dem Verhalten einer anderen Frau abhängig ist, wird ihr natürlich nie mitgeteilt.
Steht eine Trennung an, trifft der Narzisst nur selten eine aktive Entscheidung. Da dieser Wunsch jeden Tag vorhanden ist, reicht meist ein kleiner Auslöser und es kommen Trennungsgespräche in Gang. Diese sind jedoch selten ernst gemeint. Hat der Narzisst ein Nest gebaut mit einer stark Co-abhängigen Frau, wird er dieses nicht vorschnell aufgeben. Ist er jedoch dazu gezwungen, wechselt er mit Bedacht und ganz vorsichtig die Seiten. Dabei geht er sehr umsichtig vor, um seine zukünftige Ex nicht zu verprellen. Er ist darauf angewiesen, dass sie ihn zur Not wieder zurücknimmt. Falls sich die neue Partnerin nicht als tragfähig erweist, steht er wiederum bei ihr vor der Tür.
Was ihm nutzt und was er braucht, ist das, was er liebt.
In diesen perversen Denkstrukturen finden sich natürlich weder die neue Partnerin noch seine Ex-Frau zurecht. Beide werden perfide gegeneinander ausgespielt und emotional schwer verletzt. Andere Frauen bleiben in diesem Durcheinander auch nicht außen vor und irgendwann stellt die Geliebte erstaunt fest, dass sie sich nicht mehr von der aktuellen Partnerin bedroht sieht, sondern von einer ganz anderen Person.
Die nette, attraktive Nachbarin ist urplötzlich die neue Rivalin.
Und alles ist genauso, wie es sich liest, nämlich vollkommen krank.